Die Ausstellung greift ein Thema auf, das viele fälschlicherweise ausschließlich mit Bayern und dem alpenländischen Raum in Verbindung bringen: deutsche Trachten. Viele Regionen unseres Landes sind auch heute noch reich an eindrucksvollen, geschichtsträchtigen Kleidungsstilen und Accessoires. Trachten zeugen von Herkunft und Handwerkskunst, sie verleihen ihren Trägern etwas, was niemals aus der Mode kommt: Würde und Anmut.
Dennoch wird die Tracht in Deutschland häufig als Lokalpatriotismus abgetan, die Geschichte, die sie transportieren kann, und die Handwerkskunst, die hinter ihr steht, wurden lange unterschätzt. – Im Zentrum der Ausstellung stehen die Werke des Berliner Fotografen Gregor Hohenberg, der fünf Jahre lang durch Deutschland reiste, um traditionelle Trachten in Szene zu setzen. Dabei sind es nicht nur die faszinierenden, oft fremdartig wirkenden Gewänder, sondern vielmehr auch die Menschen und ihre Geschichten, von denen Hohenberg in seinen Fotografien erzählt. Damit verfolgt der Berliner eine tiefgehende Analyse von Trachten aus ganz Deutschland und porträtiert in seinen Fotografien nicht nur die Kleidung, sondern auch die Menschen und die Region dahinter.
Oft war es diese Liebe zur Heimat, die Stil und Stoffe der festlichen Gewänder prägten. Bei der Herstellung wurde häufig mit den Materialien gearbeitet, die vor Ort verfügbar waren. So ließen sich die eigenwilligen Nordfriesen von ihrem Fernweh inspirieren. Die heutige Amrumer Tracht fand ihr Vorbild in der spanischen und portugiesischen höfischen Kleidung um 1800. Der Silberschmuck, „Panzerkette“ genannt, wurde von Seefahrern zu den Inseln gebracht und wird noch heute in Portugal hergestellt.
Die schönsten Trachten Deutschlands
Von Amrum bis Rügen, vom Schwarzwald bis in den Spreewald und bis zu uns in Bayern – in 22 deutschen Regionen stieß Gregor Hohenberg, der normalerweise Fotostrecken für internationale Magazine wie Vogue, GQ, Elle, Architectural Digest, Harpers Bazaar, Stern oder Die Zeit produziert, auf ein beeindruckendes Spektrum von Formen, Farben und Lebensweisen der Trachtenträger. – Doch Hohenberg setzt die Trachten nicht an professionellen Models in Szene, sondern an den Bewohnern der jeweiligen Region. In einer unaufgeregten und dennoch seltsam glamourösen Weise werden die stillen Bewahrer der Tradition zu den Stars seiner Fotografien. Sie wirken nicht wie nostalgische Gestrige, sondern einfach sehr gut gekleidet.
Neben den Fotografien von Gregor Hohenberg werden auch originale Trachten und historische Accessoires wie Hüte und Schmuck ausgestellt, wodurch die Handwerkskunst und Beschaffenheit der verwendeten Materialien unmittelbar erfahrbar werden. Leihgeber sind hier u. a. die Trachtenberatungsstelle des Bezirks Schwaben, der Trachtenverein St. Georgen, der Volkstrachtenverein Ochsenfurt und einige private Sammler, die besondere und ausgefallene Stücke als Exponate zur Verfügung stellen.
Mit der Ausstellung möchte das Kunsthaus Kaufbeuren dazu beitragen, die Hoffnung zu wecken, dass regionale Kleidungsgepflogenheiten nicht aussterben, sondern als das gewürdigt und gelebt werden, was sie sind: ein überaus spannendes, vielfältiges kulturelles Erbe.
Kuratiert von Jan T. Wilms, Direktor Kunsthaus Kaufbeuren 2015–2024.