Aus der weltweit größten privaten Sammlung werden nahezu 400 außerordentlich schöne und seltene Objekte aus der Geschichte des Kunststoffdesigns präsentiert. Seit Ende des 19. Jahrhunderts entstehen neue Materialien, die für den industriellen Fortschritt des 20. Jahrhunderts eine große Rolle gespielt haben – die Kunststoffe. Ob Zelluloid, Bakelit oder Resopal, Plexiglas oder Nylon – die nahezu unerschöpflichen Möglichkeiten dieser vielfältigen Materialien eröffnen den Designern der Alltagskultur ungeahnte Gestaltungsfreiräume.
Bei den Luxus- und Alltagsgegenständen sind der Fantasie aufgrund der besonderen Formbarkeit des Materials keine Grenzen gesetzt. In den 1930er Jahren begannen Designer daher vermehrt mit Kunststoffen zu experimentieren und zu arbeiten. In dieser Zeit hielten die ersten elektrischen Geräte Einzug in den Haushalt. Der Bedarf an günstiger, seriell leicht herstellbarer Ware stieg. Mixer, Staubsauger und Geschirr wurden aus Kunststoff hergestellt. Auch bei der Herstellung neuer Erfindungen wie Telefone, Lautsprecher, Plattenspieler und Radios kam das Material zum Tragen.
Highlight der Ausstellung bilden 89 Kunststoffradios aus aller Herren Länder, die eine über 80jährige Design- und Kulturgeschichte widerspiegeln. Ein Radio aus den 1930er Jahren sieht wie ein Wolkenkratzer aus, ein amerikanisches Radio aus den 40er Jahren ist in seiner Gestaltung den Triebwerken eines Flugzeuges angelehnt, in den 60er Jahren orientierte sich russisches Radio-Design am Sputnik.
In der Morphologie der Objekte spiegeln sich somit nicht nur die wechselnden Stil-Perioden, sondern auch nationale Ereignisse oder Errungenschaften wider.
Selbst länderspezifische Identitäten und Gewohnheiten lassen sich anhand der unterschiedlichen Designausprägung ablesen. Frankreichs Radioproduktion begeisterte sich für das Dekorative, Theaterhafte, zuweilen Exzentrisch-Futuristische. Die Niederlande und Großbritannien zeigten gemäßigte, vom Zeitgeschmack geprägte Geräte. Erfrischend zeigten sich Mitte der 60er Jahre Italiens und ab den 90er Jahren Japans Entwürfe. Eine schlichte, oft puristische Linie wurde in Deutschland favorisiert.
Viele der Plastikmaterialien haben mannigfaltige Eigenschaften, die kein natürlicher Werkstoff in dieser Kombination aufweist. Sie lassen sich auf unterschiedlichste Weise bearbeiten: schneiden, pressen, stanzen, verformen, schäumen, spritzen und in alle Töne einfärben. So können auch diffizile Formen hergestellt werden, wie beispielsweise Accessoires für die feine Dame und den Herrn: aufwendig gearbeitete französische Kämme, transparente Handtaschen aus Florida, kunstvoll verzierte Zigarettenetuis und Damenfächer. Die leuchtenden Farben der Pop-Ära sind in phantasievollen Gürtelschnallen und beim Schmuck zu finden.
In Hinblick auf das Material, die technische Lösung und die formästhetische Einbettung in die jeweilige Zeitspanne stellen die Objekte wichtige Zeitzeugen dar. Die über 5000 historische Objekte umfassende private Sammlung des Architekten Hans Ulrich Kölsch und seiner Frau Ursula basiert auf einer über 50jährigen Sammelleidenschaft, die eine einzigartige Archäologie des 20. Jahrhunderts und seiner Sozialästhetik begründet hat.
Kuratiert von Susanne Flesche, Direktorin Kunsthaus Kaufbeuren 2007–2015.