„Das ist das Angenehme auf Reisen, daß auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt“.
(J. W. von Goethe, Italienische Reise (Kap. 33), 1787)
Fast 20 Jahre nach seinem aufsehenerregenden Weggang kehrte Boris von Brauchitsch, berühmt-berüchtigter Gründungsdirektor des Kunsthauses, im Mai 2017 nach Kaufbeuren und an den Ort seines damaligen Schaffens zurück. Anlass dafür gab das Ende 2016 erschienene Buch „9“ des heute in Berlin lebenden Fotografen und Autors, aus dem von Brauchitsch am Abend des 23. Mai im Kunsthaus Kaufbeuren las.
In seinem Buch „9“, das gleichermaßen als Erzähl- und Bildprogramm gedacht ist, stellt Boris von Brauchitsch sich die Frage, wie man als Fotograf der massenhaften Bilderproduktion begegnet. In einer Art Reisetagebuch hat er sich eine maximale Reduktion und Verdichtung auferlegt, indem er jedem Ort, der für ihn neu war, dreimal drei Bilder, neun Schwarz-Weiß-Fotografien (daher der Titel des Buches), widmete, die er zu einem Quadrat geordnet und mit einer kleinen literarischen Beobachtung versehen hat.
In seinen Bildern und den dazugehörigen Geschichten entführt uns von Brauchitsch quer durch die Kontinente von Amerika über Asien nach Afrika und zurück nach Europa. Dabei zeigen seine Aufnahmen häufig Gewöhnliches: Mülltonnen, morbide Eingänge, Kronkorken, eingedrückt im Asphalt, Baumschatten, Brandwände und schwarze Plastikfolien im Geäst. In der Banalität der einzelnen Objekte liegt – ganz im Sinne Goethes – durch künstlerische Auswahl, Zusammenstellung, Reihung und Perspektivwechsel der Reiz und das Entdecken der Neuheit und der Überraschung: „Der geschärfte Blick eines Fotografen verbindet sich mit dem subjektiven Urteil eines weitgereisten und humorbegabten Moralisten, unterfüttert von einer strengen Bildordnung. Bild und Text bilden gemeinsam eine lyrische Struktur und können als elegante, freilich auch elitäre Replik auf die gegenwärtige Bilderflut gelesen werden, auf deren Folgen für den Umgang mit Bildern, mit Wahrnehmung und Erinnerung.“ (Annegret Erhard, TAZ, 23.11.16) So führen uns Boris von Brauchitschs ästhetisch gestaltete Kompilationen auf konträre, oft überaus amüsante Wege und münden bisweilen in die ziemlich triviale, doch gleichermaßen aktuelle Erkenntnis, dass weniger mehr ist und Neugier der vergnüglichste und bei Weitem erhellendste (Reise-)Begleiter.
LESUNG »Boris von Brauchitsch liest aus seinem Buch „9“« DI 23.05.2017 | Beginn 18.30 | Einlass ab 18.00 Kunsthaus Kaufbeuren | Foyer Eintritt 5 Euro, ermäßigt 3 Euro (Schüler/Studenten) Reservierung unter 08341 8644 oder mail@kunsthaus-kaufbeuren.de oder Abendkasse (begrenzte Plätze) |
AUSSTELLUNG »Boris von Brauchitsch – „9“« 12.05.-02.06.2017 Kunsthaus Kaufbeuren | Foyer Eintritt frei |
Die Lesung und Buchvorstellung am Abend des 23. Mai 2017 fand im Rahmen des Allgäuer Literaturfestivals statt. Zu den weiteren Angeboten des Literaturfestivals finden Sie auch in Zukunft Informationen unter www.allgaeuer-literaturfestival.de